10 Jahre ja-dialog Callcenterprofi
- Typ: Glosse
- Nico Eisenreich, Dr. Christoph Baumgärtner
- 3 Min. Lesezeit
Vom Call Center zum Contact Center
Zum 10. Geburtstag des Berliner Unternehmens hat CallCenterProfi mit Nico Eisenreich und Dr. Christoph Baumgärtner gesprochen, zwei der fünf Inhaber, die gemeinsam das Unternehmen leiten.
CallCenterProfi: ja-dialog feiert Zehnjähriges. Was seid ihr eigentlich? Ein Call Center?
Nico Eisenreich: Wir sind KundenserviceExperten, bedienen internationale Märkte und verbinden Contact Center-Services mit Beratungsleistung und Technologie-Kompetenz.
CallCenterProfi: Christoph, wie hast du die Anfangszeit in Erinnerung?
Christoph Baumgärtner: Als ich kurz nach der Gründung dazukam, hatten wir zwölf Mitarbeiter und waren ziemlich am Rumkrebsen. Wir haben es nicht geschafft, ein solides Fundament fürs operative Geschäft zu legen. Ich hatte mich immer für einen guten operativen Manager gehalten. Nun musste ich erkennen: Viele Erfolge hatte ich bislang den Menschen in meinem Umfeld zu verdanken, die unbemerkt meine Schwächen kompensiert hatten. In den ersten Jahren von ja-dialog gab es diese Menschen nicht.
CallCenterProfi: Jetzt behauptet ihr, mit euren 500 Mitarbeitern die Professionalität der Marktführer zu bieten, aber zudem flexibler zu sein?
Christoph Baumgärtner: Stimmt auch. Für Aufträge bis 50 FTE findest du niemand Besseren (lacht). Sorry, das konnte ich mir nicht verkneifen. Zu der Aussage stehe ich aber zu 100 Prozent!
CallCenterProfi: Wie habt ihr es vom „Rumkrebsen“ zur Professionalität gebracht?
Christoph Baumgärtner: Mit der Gründung unseres zweiten Standorts in Wolfen 2018 änderte sich alles. Wir gewannen Maribel Pietzner als Standortleiterin, denn die wohnte um die Ecke. Sie führte einen der größten buw-Standorte (heute Concentrix) und fand gut, dass in ihrer Heimat ein Contact Center eröffnete. Nur deshalb konnten wir eine operative „Waffe“ wie sie überhaupt gewinnen. Sie zog Norman Schumann als Standortleiter für Berlin nach. Die beiden räumten den Laden auf und machten eine geölte Maschine daraus. Jetzt konnten wir die Wünsche unserer Auftraggeber stabil erfüllen.
CallCenterProfi: Und wann kam Nico dazu?
Christoph Baumgärtner: Zuerst kam Corona, der Gründer Andreas Jaschke stieg aus. Ich war plötzlich Alleininhaber. ja-dialog war zwar ein toller Handwerksbetrieb, aber immer noch mäßig für die Zukunft aufgestellt. Hinzu kam das Risiko, dass Kollegen und Kunden allein dastehen würden, falls ich ausfallen sollte. Autounfall, Herzinfarkt, alles im Bereich des Möglichen. Mit Nico hatte ich früher zusammengearbeitet und wusste, er ist Digitalisierungsexperte, hat richtig Ahnung von KI und ist einer der Besten der Branche. Der Plan war, Maribel und Norman werden Inhaber und Nico ebenfalls, damit er kommt und die CEO-Rolle übernimmt. Und keiner von uns hat die Mehrheit.
CallCenterProfi: Und wie hast du reagiert, Nico?
Nico Eisenreich: Ich habe viele Gespräche geführt. Welche Kompetenzen bringe ich ein, wie stellen wir uns als Führungsteam neu auf? Maribel und Norman waren aus Konzernen zu ja-dialog gewechselt, um näher an Auftraggebern zu sein, zu gestalten und ihre operativen Stärken auszuspielen. Daran sollte sich nichts ändern, denn ja-dialog war und ist operativ top aufgestellt. Wie entwickeln wir das Unternehmen aber erfolgreich weiter? Als wir diese Frage beantwortet hatten, habe ich zugesagt.
CallCenterProfi: Was läuft bei ja-dialog anders als bei anderen?
Nico Eisenreich: Hier gilt das Subsidiaritätsprinzip: Diejenigen, die am nächsten an einem Problem dran sind, können es am besten lösen. Indem wir nur den Rahmen vorgeben und dann die Entscheidungen dezentral treffen, wird schneller und besser entschieden.
CallCenterProfi: Wenn die anderen so viel entscheiden, bleibt wenig für die Chefs. Was macht ihr den ganzen Tag? Tennis spielen?
Nico Eisenreich: Wir stecken die Zeit in die Entwicklung der Firma und tauschen uns enger mit Auftraggebern aus: Was können wir besser machen? Wie lässt sich deren Kundenservice optimieren? Und Christoph hat dafür gesorgt, dass wir Angela Janzen als Partnerin gewonnen haben. Sie leitet den dritten Standort in Paraguay – damit können wir weitere Zusatzwerte für unsere Auftraggeber bieten.
CallCenterProfi: Das hört sich spannend an!
Christoph Baumgärtner: Paraguay ist spannend und ein Extra-Interview wert (lacht). Wichtig ist mir: Mit dem dritten Standort hat gleichzeitig das Thema Standardisierung an Bedeutung gewonnen. Das ist nun Nicos Job. Er ist Logiker und kann das.
Nico Eisenreich: Nicht jedes Detail muss standardisiert werden. Es kommt auf das rechte Maß an. Um die Standortleiter zu entlasten, führe ich IT, Finanzen und ähniches als zentrale Business Support Services.
CallCenterProfi: Was sind eure Prognosen für den Kundenservice?
Nico Eisenreich: KI wird unsere Branche weiter verändern. Manche glauben, in zehn Jahren gibt es keine Contact Center mehr. Andere sagen, der Beratungsbedarf wird durch den technischen Fortschritt zunehmen und wir benötigen mehr Kundenberater. Die Wahrheit liegt in der Mitte. Wichtig ist, dass sich Firmen bei KI nicht zu früh festlegen, sondern anpassungsfähig bleiben.
Christoph Baumgärtner: Ich bin weniger optimistisch. KI wird dazu führen, dass man in Zukunft für einen 500 FTEAuftrag höchstens 200 braucht. Bei unseren kleinen Aufträgen mag die Dramatik geringer sein. Dennoch – unsere Branche sollte einen Industrie-Shake-out auf dem Radar haben.
CallCenterProfi: Und in welcher Hinsicht seid ihr euch einig?
Nico Eisenreich: Dass die großen Aufträge immer weniger werden und die Komplexität im Kundenservice zunimmt.
Christoph Baumgärtner: Genau dafür sind wir gut aufgestellt: Kleine. anspruchsvolle Aufträge, die kontinuierliche Veränderungsbereitschaft erfordern, sind unser USP!
CallCenterProfi: Überlegt ihr, selbst KI-Systeme für den Kundenservice anzubieten?
Nico Eisenreich: Nein. Aber wenn eine Firma im Kundenservice auf KI setzt, benötigt sie Support bei deren Einsatz und der Frage: Welche Aufgaben überlassen wir der Maschine, welche dem Menschen? Hier sind wir die Experten. Wir sind heute schon Berater, die bei der Auswahl der Systeme helfen. Anders als Systemanbieter, die von der Technik-Seite kommen, steht für uns der Zweck im Mittelpunkt: Kundennutzen erzeugen.