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Das paradox der Incentivierung

Warum es bei ja-dialog keine Boni gibt

Anreizsysteme für Manager geraten immer mehr in die Kritik. Die Diskussion um überhöhte Boni für Manager -oft auch trotz offensichtlichen Missmanagements – ist in vollem Gange. Prominente Beispiele sind die Deutsche-Bahn-Vorstände, die sich für 2022 einen Bonus auszahlten, obwohl sie ihre zentralen Ziele verfehlten. Oder Elon Musk, der mit dem Tesla-Aufsichtsrat einen Bonus von sage und schreibe 56 Milliarden Dollar vereinbart hatte – eine Vereinbarung, die inzwischen von einem Gericht für ungültig erklärt wurde.

Es stellt sich neben der Frage nach der Angemessenheit solcher Zahlungen eine zweite: Sind materielle Bonussysteme geeignet, um Menschen zu besseren Leistungen zu motivieren? Wissenschaftler bezweifeln das. Auch wir bei ja-dialog stellen fest, dass Bonussysteme in unserer Industrie meist falsche Anreize setzen. Deshalb haben wir ein System eingeführt, das Leistung zwar detailliert misst, aber keine Boni daran knüpft. Stattdessen steht die langfristige Entwicklung unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Mittelpunkt.

 

Bonussysteme und Incentives im Contact-Center
Leistungsbezogene Vergütungssysteme sind in der ContactCenter-Industrie gängige Praxis: Typischerweise erhalten Kundenberater zusätzlich zum Grundgehalt Boni, die auf Basis von festgelegten Leistungswerten (sogenannte Key Performance Indicators – KPIs) berechnet werden.

Auch bei ja-dialog war bis vor zwei Jahren ein solches System installiert. Kundenberater wurden monatlich nach KPIs etwa zur Kundenzufriedenheit, Erstlösungsquote, durchschnittlichen Bearbeitungszeiten oder Vertriebsleistung bewertet. So konnten sie zusätzlich zu ihrem Basisgehalt einen individuellen Bonus von bis zu 25 Prozent verdienen. Doch immer mehr wurde klar: Dieses System brachte für alle Seiten mehr Nachteile als Vorteile. Die Mitarbeiter konzentrierten sich darauf, den Bonus zu optimieren, was nicht immer zur Steigerung der Beratungsqualität führte. Und wenn sich die Anforderungen änderten und neue Aufgaben zu erfüllen waren, die noch nicht im KPISystem berücksichtigt waren – im dynamischen Kundenservice eher die Regel – stand regelmäßig die Frage im Raum: „Warum sollte ich das tun, wenn ich dafür keinen Bonus bekomme?“ Die Diskrepanz war sichtbar zwischen dem, was Auftraggebern und uns wichtig war, und dem, was der Bonus bewirkte. Die monatlichen Feedbackgespräche waren häufig geprägt durch die Diskussion über die Validität der Daten und die Fairness der Leistungsmessung. Ein Contact-Center-Haudegen wendete kürzlich ein: „Das ist Tagesgeschäft, das muss ein Vorgesetzter aushalten.“ Stimmt. Trotzdem ist es kontraproduktiv, Verschwendung von Energie und sollte besser vermieden werden.

Kurzum: Trotz ausgefeilter KPIs und ständiger Weiterentwicklung unseres Systems wurden die Nachteile des klassischen Bonussystems immer präsenter. Und die Mitarbeiter waren auch nicht glücklich, denn ein Bonus ist flüchtig. Kundenberater wünschen sich aber Berechenbarkeit und Stabilität.


Das sagt die Wissenschaft
Lag es daran, dass unser System einfach nicht ausgereift war? Nein, denn Bonussysteme beinhalten in sich einen Konstruktionsfehler, der nicht beseitigt werden kann. Sie beruhen auf einer falschen Annahme über die Motivation von Menschen. Studien beweisen, dass soziale Incentives stets stärker wirken als materielle. Und dass Boni die intrinsische Motivation untergraben, also den Wunsch nach innerer Befriedigung, die aus der Tätigkeit selbst resultiert. Je größer der Bonus, desto negativer wird dieser Einfluss.

Dan Ariely, Verhaltensökonom und Professor an der Duke University, führt dazu ein Beispiel aus einem Kindergarten an (kein Versuch, sondern eine Praxisstudie): Jeder Kindergarten hat das gleiche Problem: Eltern holen ihre Kinder immer wieder zu spät ab, die Betreuer müssen länger bleiben. Der beobachtete Kindergarten sah die Lösung darin, einen Strafbetrag zu erheben, wenn ein Kind zu spät abgeholt wurde. Das Ergebnis: Jetzt kamen mehr Eltern zu spät als zuvor. Das neue materielle (negative) Incentive hatte das stärkere soziale Incentive ersetzt. Die Eltern konnten sich von ihrer Verpflichtung freikaufen. In seinen wissenschaftlichen Studien weist Ariely sogar nach, dass die Aussicht auf einen hohen Bonus mit schlechter Leistung korreliert!

Fred Reichheld, Management Guru und Schöpfer des Net Promoter Systems (NPS, siehe Kasten), stößt ins gleiche Horn. Auch er konnte zeigen, dass Bonussysteme selbst im Vertrieb nicht in der Lage sind, langfristige Motivation und Leistung zu gewährleisten. Im Gegenteil: Mitarbeiter beginnen das System zu umgehen, um sich Boni zu sichern. Daher plädiert Reichheld dafür, auf Bonussysteme zu verzichten und stattdessen die intrinsische Motivation der Mitarbeiter in den Vordergrund zu stellen. Als Begründer des NPS spricht er sich explizit dagegen aus, die einem Kundenberater zurechenbare NPS-Leistung mit einem Bonus zu verbinden:

„HÜTEN SIE SICH DAVOR, FÜR (NPS) SCORES ZU ZAHLEN“

 

NORMAN SCHUMANN: „FÜR DIVERSITÄT!“

Norman Schumann (41) leitet als geschäftsführender Gesellschafter der ja-dialog Gruppe den Standort in Berlin. Aufgewachsen im Erzgebirge, Studium in Bayreuth und Leipzig. Währenddessen jobbt er in verschiedenen Contact-Centern. Das Aufgabenfeld liegt ihm, er wird schnell befördert und plant in der Branche seine weitere Karriere. Nach dem Studium übernimmt er bei internationalen Dienstleistern das Management für verschiedene Projekte, unter anderem für PayPal und Vodafone.

2018 bekommt er von ja dialog das Angebot für die Standortleitung Berlin. Er nimmt sofort an. Der Stand – ort wächst, wird zum Qualitätsführer, gleichzeitig wird die Belegschaft diverser und internationaler. Heute sind über 30 Nationalitäten am Standort vertreten, acht Sprachen werden bedient. Das Thema Diversität treibt Norman persönlich an. Er lebt und fördert Toleranz, Respekt und Vorurteilsfreiheit. Sein Führungsstil ist geprägt von dem Gedanken, allen Mitarbeitern Freiheiten zur Entwicklung ihrer Potenziale einzuräumen und ein modernes Arbeitsumfeld zu schaffen, das die individuellen Stärken jedes Einzelnen anerkennt und unterstützt. Sein Credo:

„PRODUKTIVE TEAMS LEBEN VON DER VIELFALT.“


Die Alternative bei ja-dialog

Vor knapp zwei Jahren hat sich ja-dialog daher von der klassischen Bonus-Logik verabschiedet und verfolgt einen neuen Ansatz. Wir wollen die Nachteile eines klassischen Bonussystems vermeiden und Leistung dennoch belohnen. Außerdem wollen wir mehr Sicherheit für unsere Kundenberater.

Im neuen System (s. Kasten) werden weiterhin KPIs erhoben, die die Qualität und Quantität der Leistung beschreiben. Sie werden in regelmäßigen  eedbackgesprächen besprochen, um Potenziale zu identifizieren und Entwicklungspläne zu vereinbaren. Geändert hat sich der Einfluss auf das Gehalt. Boni gibt es nicht mehr. Dafür wurde das Gehalt angehoben. Gleichzeitig können Kundenberater durch kontinuierliche Leistung (ausgedrückt in KPIs) in einem vierstufigen Kundenberatermodell aufsteigen. Eine Rückstufung ist nicht möglich.

Die Umstellung auf das neue System war komplex. Top-Performer, die stets den maximalen Bonus erreicht hatten, sollten nicht schlechter gestellt werden. Leistung und Loyalität in der Vergangenheit sollten angerechnet werden. So wurden alle Mitarbeiter individuell betrachtet und in Stufen eingeordnet, so als hätte es das Modell schon seit deren Eintritt gegeben.


SO FUNKTIONIERT DIE LEISTUNGSBEZOGENE ENTLOHNUNG BEI JA-DIALOG

ja-dialog bietet Kundenberatern ein vierstufiges Gehaltsmodell. Die erste Beförderung ist beispielsweise fällig, wenn KPI-Ziele in sieben von zwölf aufeinanderfolgenden Monaten erreicht werden und keine disziplinarischen Auffälligkeiten aufgetreten sind (z. B. Abmahnungen, unentschuldigtes Fehlen). Fast 70 Prozent der Neueinsteiger steigen nach einem Jahr auf. Wer es nicht sofort schafft, muss keine zwölf Monate warten, denn die Betrachtung der Leistung ist rollierend.

• Vier Stufen für Kundenberater, durch Titel und Gehalt unterschieden
• Das Gehalt von Stufe 4 liegt 22 Prozent über dem von Stufe 1
• Eine Rückstufung ist ausgeschlossen

Selbstverständlich gibt es bei ja-dialog für Kundenberater jeder Stufe die Möglichkeit, sich auch zum Teamleiter oder anderen Positionen weiterzuentwickeln.


DER NET PROMOTER SCORE NACH REICHHELD

Der NPS wurde 2003 von dem Ökonomen und Strategieberater Fred Reichheld eingeführt. Er basiert auf einer einfachen Frage: „Auf einer Skala von 0 bis 10, wie wahrscheinlich ist es, dass Sie unser Unternehmen weiterempfehlen?“ Die Antworten werden nach einem festgelegten System zusammen – gezählt und in einer Prozentzahl ausgedrückt. Reichheld erkannte früh, dass Kundenloyalität der wichtigste Treiber für den Erfolg eines Unternehmens ist. Gerade die einfache Methodik führte dazu, dass sein NPS in vielen Branchen zum Standard-KPI für Kundenzufriedenheit geworden ist. Reichheld sieht das allerdings kritisch: „Zu viele Praktiker korrumpieren den NPS, indem sie den NPS Score eher zu einem Ziel machen, als ihn als Messgröße zu verwenden, die Lernen und Wachsen ermöglicht.“


Ergebnisse

Die Umstellung auf das neue System hat sich gelohnt. Während wir bei der Leistung nicht zweifelsfrei nachweisen können, dass sie sich aufgrund des neuen Systems verbessert hat (zu viele Einflussfaktoren müssten in einer ernsthaften Analyse berücksichtigt werden), sind die Erfolge in den anderen Bereichen offensichtlich:

• Feedbackgespräche sind zielgerichteter. Bonus-Diskussionen stehen nicht mehr im Weg. KPIs dienen als Hinweise für die Entwicklung.
• Immaterielle Incentives wirken wieder: der Wunsch, einen guten Job zu machen und damit die Bereitschaft, die Extrameile zu gehen.
• Personalgewinnung ist einfacher, weil Bewerbern das feste Gehalt wichtiger ist als die Aussicht auf einen Bonus.
• Der Umgang in der Firma ist entspannter und großzügiger geworden. Es geht um gemeinsame Ziele und um Langfristigkeit.
• Die Fluktuation ist zurückgegangen. Wir führen das sowohl auf den angenehmeren Umgang im Unternehmen zurück als auch darauf, dass Kundenberater die neue Stabilität schätzen. Nicht bestätigt hat sich die Befürchtung, dass nach Erreichen einer Gehaltsstufe die Leistung abfallen könnte, weil dann „der Druck raus sei“. Für uns und unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat die Umstellung nur Vorteile gebracht und sie hat unser positives Menschenbild bestätigt: Menschen wollen Gutes tun und benötigen dafür keine direkte Gegenleistung.

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